Dienstag, 27. Januar 2015

Allen Frances: Wer oder was ist normal?

Immer wieder begegne ich im Alltag psychiatrischen Diagnosen - einfach so, von Laien in den Raum geworfen und nur anhand weniger Merkmale festgemacht. Selbstverständlich wird dies dann auch felsenfest behauptet und Widerworte wild diskutiert. Ein schönes Beispiel ist für mich ein Forum einer Frauenzeitung, in dem ich immer mal zur Unterhaltung mitlese (selten mitschreibe). Hier werden auch allerhand Beziehungsprobleme gewälzt und was da an Ratschlägen und Diagnosen kommen, kann einem die Haare zu Berge stehen lassen. Z. Bsp. sobald ein Mann mal etwas gestresst nach Hause kommt, einfach schlecht geschlafen hat, vielleicht noch den Bus verpasst hat und so nun der Frau missmuffelig entgegentritt, startet Frau einen Thread. Hier wird ausgewalzt, wie wenig man sich beachtet fühlt und schwupsdiwups - Eheberatung, Therapie, der Mann ist doch manisch depressiv...Und das alles innerhalb weniger Seiten und von völlig fremden Menschen ganz klar analysiert.

Ein anderes Beispiel, was wohl v.a. auch Jungsmütter kennen, die spontane Analyse Fremder oder auch Familienangehöriger, dass das Kind doch wohl nicht etwa ADHS hat?! Ja, es ist aufgedreht, weil es sich freut, eben jene Personen zu treffen, und ja, es will alles sofort erzählen, zeigen etc. und verhaspelt sich dabei vielleicht. Aber deswegen ist es doch noch ein normales, tobendes, fröhliches Kind...(und ganz zu schweigen davon, dass es noch in einem Alter ist, wo diese Diagnose noch nicht gestellt werden kann.)
Immer mehr wird das Normale eingegrenzt und immer mehr Ticks und Macken zu unnormalen Verhalten und therapiebedürftig erklärt. Hier steht natürlich auch das Interesse der Ärzte und Pharmaindustrie dem Normalsein einfach im Wege.
Bei der Neuerstellung des DSM IV ( Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) gab es dementsprechend große Diskussionen über die Ausweitung und Neuaufnahme psychiatrischer Erkrankungen. Auf der einen Seite sind die Psychiater, die alles in Diagnosen zwängen möchten und für jedes Wehwehchen eine Bezeichnung haben möchten. Die andere Seite bilden die Psychiater, die wieder für mehr Normalität plädieren und für ein überschaubares DSM. Einer der Verfechter ist Allen Frances.

Sein Buch "Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen" habe ich gerade gelesen und kann es allen, die einmal ein interessantes Sachbuch lesen wollen, empfehlen. Ich würde das Buch nicht unterhaltsam nennen, aber man kann es auf alle Fälle gut lesen und die Hintergründe, die Frances darlegt, sind durchaus auch für den Laien interessant. Frances warnt eindringlich vor einer überhandnehmenden Pathologisierung allgemeiner menschlicher Verhaltensweisen und schlägt auch gute Gegenmaßnahmen vor. Schönes Beispiel dabei ist für mich die Trauerarbeit - früher gab es ein Trauerjahr, dass auch optisch (schwarze Kleidung) eingehalten wurde. Heute wird bereits nach wenigen Wochen komplettes Funktionieren erwartet und es gäbe sofort den Rat der Therapie, wenn man nach 6 Monaten noch schwarz tragen würde...
Auch ich stimme Frances zu, dass alltägliche und zum Leben dazugehörende Sorgen und Seelenzustände nicht immer sofort als geistige Krankheiten zu kategorisieren sind und so die Hilfe für die, die sie wirklich benötigen, unnötig zu blockieren.

Dienstag, 20. Januar 2015

Guido Maria Kretschmer: Eine Bluse macht noch keinen Sommer

Guido Maria Kretschmer: Eine Bluse macht noch keinen Sommer. Geschichten aus dem Kleiderschrank.

Das zweite Buch von Guido Maria Kretschmer ist im November 2014 erschienen. Nach dem Erfolg des ersten Buches ließ das zweite nicht lange auf sich warten. Für Fans von Guido natürlich ein Muß und das Schöne ist, dass man auch beim Lesen ihn selbst quasi im Ohr hat.

Das Buch liest sich gut und auch flüssig. Man kann aber dank der zahlreichen Kapitel auch gut Passagen überblättern, die einen nicht unbedingt interessieren.

Es werden im Buch verschiedene Kleidungsstücke durchgesprochen - Kostüm, Hosenanzug bis hin zur Leggins. Dabei erzählt er immer zuerst eine Geschichte aus seinem Leben - meist aus seinem Laden. Diese sind wirklich witzig und sehr bildhaft erzählt. Danach erfolgt die nähere Betrachtung des Kleidungsstücks, die verschiedenen Ausführungen und eine kurze Empfehlung für welchen Typ bzw. Figur Frau das Kleidungsstück geeignet ist. Eine umfassende Beratung - z. Bsp. ganze Outfits - erfolgt aber eher nicht.
Das Buch unterhält auf jeden Fall, etwas lernen kann man auch und für Fans und Modeinteressierte ist es eine klare Leseempfehlung.

Dienstag, 6. Januar 2015

Graham Swift: Wärst du doch hier

Herrje, da steht bei Amazon in der Bewertung, dass das Buch spannend ist...und ich quälte mich durch. Ich habe immer wieder erwartet, gleich kommt ein Ereignis, gleich passiert etwas...aber nein, es dümpelt vor sich hin und lediglich auf den letzten Seiten konnte ich etwas Spannung finden.


Die Geschichte ist recht schnell zusammengefasst: Hauptakteur Jack beschreibt in verschiedenen Rückblenden, gern auch recht durcheinander, das Familienleben und da v.a. den Tod der Familienmitglieder - Mutter stirbt an Erkrankung in Folgen der zweiten Schwangerschaft, Vater erschießt sich, Bruder fällt im Krieg. Hinzu kommt Ellie als Liebe seines Lebens und vom Nachbarhof. Zwischen den beiden entsteht eine Spannung über die vielen Jahre und am Ende dann das einzig aufregende im Buch. 
Graham Swift beschreibt sehr ausführlich die Familiengefüge und die Gefühle aller Handelnden. Oft gibt es auch Überlegungen, was "hätte" passieren können. Was "wäre wenn". Letztlich fand ich das Buch einfach nur ermüdend und ich habe extrem viele Seiten nur quer gelesen. Eine Lesempfehlung gibt es hier leider ganz und gar nicht.