Dienstag, 24. März 2015

Lydia Benecke: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen

Wenn man dieses Buch in die Hände bekommt, muß man erstmal Mut beweisen, es zu öffnen bei diesem schrecklichen Titelbild. Warum sich Frau Benecke in so ein kindlichem verwischten Porträt präsentiert, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Es wäre aber sehr schade, das Buch nicht zu lesen nur aufgrund des - wie ich finde - schrecklichen Titelbildes.

Die Frage, warum Menschen morden und Psychopathen werden/sind, steht im Mittelpunkt des Buches. Ist man von Haus aus böse oder wird man erst böse. Anhand von mehreren realen Verbrechern wird hier nachgestellt, wie die Persönlichkeitsentwicklung von statten ging. Erschreckenderweise kommt auch oft die Kindheit ins Spiel und die Versäumnisse & Geschehnisse in selbiger. Die Erzählweise von Frau Benecke, die Therapeutin, Psychologin und Referentin ist, ist dabei durchweg spannend. Man möchte das Buch zu Ende lesen, auch wenn man kein Ende ersehnt wie bei Romanen. Für ein Sachbuch ist dies wirklich gut geschrieben und vor allem auch kurzweilig.
Die verwendeten Beispielen stammen größtenteils nicht aus ihrer eigenen Praxis - ein Manko - und sind teilweise auch allgemein bekannt. Ihr eigenes Beispiel aus dem Bekanntenkreis ist eher oberflächlich und mir wurde nicht so ganz klar, wieso sie zum Schluß kommt, dass er ein Psychopath ist. Sie vertritt zudem die These, dass in jedem ein bißchen Psychopath steckt und nur die meisten dies nicht "herauslassen". Neben den Fallanalysen stellt sich Frau Benecke ausführlich selbst dar und beschreibt auch ihre harte Kindheit, die sie zu diesem Menschen werden lassen haben und diesen Job ausüben lassen. Dies ist ein wenig melodramatisch und unnötig, wenn man das eigentliche Ansinnen des Buches betrachtet.
Dafür, dass es als Sachbuch recht unterhaltsam und fließend lesbar geschrieben ist, bekommt es einen kleinen Daumen hoch, für die Selbstdarstellung und wenig wirklich selbst erlebte Praxis Beschreibung leider einen Minuspunkt. Ich würde es als lesenswert einstufen, mit kleinen Abstrichen und Überblättern von Seiten.

Dienstag, 17. März 2015

Sabine Kronbichler: Das Verstummen der Krähe

"Das Verstummen der Krähe" ist ein sehr gelungener Kriminalroman. Die Spannung wird durch das ganze Buch gehalten und das Mitraten und Vermuten, wer der Mörder ist, ist dem Leser jederzeit möglich. Die Handlungstränge machen Sinn und das Ergebnis ebenso. Es wird einem nicht einfach eine Lösung präsentiert, sondern mit dem Leser zusammen "erarbeitet". So muß ein spannender Krimi sein!

Der Ausgang der Geschichte ist, dass die Nachlassverwalterin Kristina Mahlo vor einem besonders schwierigen Auftrag steht. Die Verstorbene Theresa Lenhardt möchte ihr Erbe ihren besten Freunden hinterlassen. Doch die Erbschaft darf nur freigegeben werden, wenn Frau Mahlo einen Mord von vor 6 Jahren im Freundeskreis aufklärt. Theresa Lenhardts Mann  war dafür in ihren Augen unschuldig verurteilt worden.
Als Kristina Mahlo mit den Hinterbliebenen Kontakt aufnimmt und tief in der Vergangenheit der Erben gräbt, taucht plötzlich der Name ihres Bruders Ben auf, der vor vielen Jahren einfach spurlos verschwand. Kristina ermittelt weiter im Freundeskreis der Toten und stellt sich immer wieder die Frage, welche Verbindung zwischen den fünf Personen und ihrem verschollenen Bruder besteht.
Die gesamte Geschichte ist in "Ich"-Erzähler  Perspektive geschrieben und hat ein paar nette Nebengeschichten wie die Krähe, die täglich vorbei schaut auf dem Hof, die Eltern von Frau Mahlo, die seit dem Verschwinden des Bruders eine gestörte Beziehung haben etc.
Einzig, was mich etwas störte, war die Themenvielfalt die angerissen wurde - von künstlicher Befruchtung über V-Mann, Überfall im Park, sehr teure abgeschnittene Bonsaibäume usw.  Etwas weniger Themen hätten eventuell auch genügt.

Durch die Spannung und die letztliche Auflösung der Geschichte, aber eine klare Leseempfehlung.

Dienstag, 3. März 2015

Meg Wolitzer: Die Interessanten

Wunderbar! Eine wahre Entdeckung und auf jeden Fall empfehlenswert für jeden, der ein klein wenig mehr Anspruch an Unterhaltungsliteratur stellt. Wer Jeffrey Eugenides "Middlesex", Jonathan Franzen " Die Korrekturen" oder John Irving "Das Hotel New Hampshire" kennt und mag, ist mit "Die Interessanten" auch bestens aufgehoben!

Hauptfigur Jules kommt als Teenie über ein Stipendium in ein Sommercamp der Künste, welches sonst eher den wohlhabenden Kindern offensteht. Hier freundet sie sich zufällig mit drei Jungs und zwei Mädchen an. Sie treffen sich auch nach dem Sommercamp immer wieder - da aber fast immer nur bei den wohlhabenden Geschwisterkindern Ash und Godmann Wolf. Um diese herum spinnt sich nun auch die Geschichte, die über mehrere Jahrzehnte erzählt wird.

Dabei wechselt die Perspektive von der Ich-Erzählerin Jules und einem neutralen Erzähler. Der Leser erfährt, wie neidisch doch Jules auch sein kann, während sie nach außen immer nett und beste Freundin bleibt. Die Lebensläufe der sechs Menschen kreuzen sich über die Jahre immer wieder und der Leser spürt förmlich, wie ein Geheimnis innerhalb der Gruppe aufzufliegen droht und die heile Welt zusammenbrechen lassen wird.

Allein dieser Spannungsbogen läßt einen die gut 600 Seiten wie im Fluge lesen und mit Jules mitfiebern. Unbedingt lesen!